„Wir wollen alles“
Einfach hat es der 2020 an der Ecke Lerchenfelder Straße und Neubaugasse eröffnete holis market, der erste verpackungsfreie Supermarkt in Neubau, nicht gehabt. Nur wenige Wochen davor war der erste Lockdown im Zuge der Covid-19-Pandemie beendet worden, und dass noch einige weitere folgen sollten, war damals noch niemandem klar. Das hat den Start zwar nicht unbedingt vereinfacht, doch die beiden Leiter:innen, Janna und Nico Harather, haben in den eineinhalb Jahren, in denen es den Lerchenfelder Biosupermarkt gibt, Beachtliches geleistet und einen regionalen Nahversorger aufgebaut, den man sich nicht mehr aus dem Grätzel wegdenken möchte. Über ihren Weg ins Lerchenfeld, ihre Visionen und ihre tägliche Arbeitsroutine haben Janna und Nico Harather kurz vor dem Jahreswechsel ins dritte „Corona-Jahr“ im Gespräch mit der Lebendigen Lerchenfelder Straße erzählt.
Von Angela Heide, Fotos: Berenice Pahl
Von Linz nach Wien
Begonnen hatte alles mit der Idee ihres Vaters, Günther Harather, und der Vision, einen eigenen, regionalen und biologischen, vor allem aber möglichst verpackungsfreien Supermarkt zu eröffnen. 2017 entdeckte der selbstständige Kameramann mit Wohnsitz in Niederösterreich über eine Annonce den Linzer „holis market“, der kurz zuvor in Konkurs gegangen war und nun vom Markennamen bis zum hochwertigen Stahl-Holz-Mobiliar alles zum Verkauf anbot. Klar war von Beginn an, dass der Supermarkt nicht wieder in Linz eröffnen sollte, weniger klar war für Harather zu diesem Zeitpunkt, ob er seine beiden Kindern, Janna und Nico, für seine Idee gewinnen können würde.
Janna Harather wurde in Niederösterreich geboren, wo sie auch zur Schule ging und nach der Matura eine Tourismusausbildung abschloss. Es folgten zwei Jahre in einem Reisebüro und 2017 die Anfrage ihres Vaters, ob sie Lust habe, am Konzept zur Eröffnung eines Biosupermarktes gemeinsam mit ihm und ihrem Bruder mitzuarbeiten.
Ihr Bruder Nico hatte Medientechnik und interaktive Medien im niederösterreichischen Hagenberg studiert und danach als Softwareingenieur gearbeitet. Über den Beginn des gemeinsamen Unternehmens erzählt er in der Rückschau: „Und irgendwann ist der Papa zu mir gekommen und hat gemeint, hey, da gibt es diesen holis-Shop zu kaufen und neu aufbauen, und ich hab gesagt, hm, ich weiß nicht so recht … Am nächsten Tag hat er sich wieder gemeldet und gesagt, er habe holis gekauft, und ich hab gesagt, ok, cool, ich helf dir damit.“ Zwar war vorerst geplant, dass Nico Harather nur den technischen Part übernehmen sollte, doch schon bald reizte ihn die neue, herausfordernde Aufgabe so sehr, dass er seinen damaligen Job kündigte und ganz in das neue Familienunternehmen einstieg. „Ich wollte eigentlich immer schon etwas anderes machen“, erzählt er, „weg vom Computer“, und so rasch, wie sich alles entwickelte, wurde Nico schließlich auch zum Geschäftsführer von holis.
Lockdown statt geplanter Eröffnung
Der nächste Schritt war, den richtigen Standort in Wien zu finden. „Es war klar, dass wir in Wien suchen würden. Ich war in Wien, Nico zog von Linz nach Wien, und mein Vater lebt in Niederösterreich“, resümiert Janna Harather. Doch die Suche entpuppte sich als gar nicht so einfach und zog sich über Monate. Der erste Ort, der gefunden wurde, war direkt in der Neubaugasse, und obwohl die Verhandlungen schon weit gediehen waren, entschlossen sich die dortigen Eigentümer schließlich, das Lokal anderweitig zu vergeben. „Vermutlich hat der Papa dann eine Annonce in einer Zeitung gesehen oder im Internet, und dann hat er sich mit Nico das Lokal hier angeschaut“, erinnert sich Janna, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht voll dabei war. Und auch ihr Bruder erinnert sich noch deutlich an die erste Begehung: „Da war noch das Einrichtungsgeschäft, und als uns die damalige Betreiberin durch die Räume geführt hat, haben wir gleich gesehen, dass das gut aussieht, dass der Ort genau das ist, wonach wir gesucht hatten.“ Ehe hier zuletzt ein Einrichtungsbetrieb zu finden war, waren für viele Jahre eine Bankfiliale und bis in die Zwischenkriegszeit hinein die „Weinstube Mang“ hier beheimatet.
Ein Jahr dauerte es, bis das neue Lokal eröffnet werden konnte, die Einrichtung musste aus Linz geliefert und für die neuen Räume stilvoll adaptiert werden, die beeindruckende Belüftungsanlage eingebaut werden – „und dann kam der Lockdown“, erzählt Nico Harather über den anfänglichen Rückschlag, den keiner erwarten konnte. Eröffnet wurde also ganz bewusst erst nach dem ersten Lockdown. Bald darauf kamen der zweite und die folgenden, und auch wenn der Verkauf als Nahversorger aufrechtbleiben konnte, hat sich der Gastronomiebetrieb bislang noch nicht in dem Maße entwickelt, wie es ohne Pandemie sicherlich möglich gewesen wäre. „Es braucht einfach die Menschen, die ihn kennenlernen und wissen, dass es den Gastronomiebetrieb gibt, den sie während der Arbeitswoche täglich nutzen können“, weiß Nico Harather und bleibt ungebrochen optimistisch: „Es braucht einfach Zeit.“
Abfallfreie Nahversorgung
Mit den Themen Nachhaltigkeit und „Zero Waste“, also dem möglichst verpackungsfreien Einkaufen, hatten sich Nico und Janna Harather schon seit Jahren beschäftigt: „Ich habe schon seit Langem versucht, so viel wie möglich auf Verpackung zu verzichten“, erzählt Nico Harather, „und vor allem beim Gemüse ist es mir immer unheimlich auf die Nerven gegangen, wenn alles dreimal in Plastik verpackt war.“ „In der Familie sind wir zwei die Vorreiter“, lacht Nico Harather, „aber unsere Eltern ziehen so nach und nach mit.“ Der Vater, ein leidenschaftlicher und hervorragender Hobbykoch, macht heute für den eigenen Biomarkt Chutneys, Aufstriche, Konserven, wie etwa wunderbare eigene Senfkreationen, und Fertigprodukte und „versucht dabei auch die fleischlastigeren Produkte in das Sortiment zu integrieren“, verrät Janna Harather. „Ein bisschen Fleisch ist für uns auch ok, und so wollen wir das bewusst auch in unserem Laden gespiegelt sehen.“
Doch wie sieht die Produktpalette von Holis insgesamt aus? „Unsere Produkte sind zu 90 Prozent bio“, erläutert Janna Harather , wobei nicht nur „bio“ wichtig ist, sondern auch deren möglichst umweltschonende Reise ins Lerchenfeld, das heißt so kurze Lieferwege wie möglich „und im besten Falle beides: biologisch angebaut und von regionalen Produzent:innen“. Es gibt Obst und Gemüse, Trockenware, darunter neben diversen Getreidearten auch Hülsenfrüchte, Reis und Nudeln, Nüsse, aber auch Saaten und Gewürze. Es gibt frisches Brot, selbstgemachte Mehlspeisen in täglichem Wechsel, die man auch gleich vor Ort in der gemütlichen holis kitchen genießen kann, in der auch von der fest angestellten Köchin des Betriebs gut ausgewogene Mittagsspeisen produziert werden. Es gibt zudem eine kleine, feine Auswahl an Käse und Hartwürsten, und auch klassische Kühlware findet man im liebevoll gestalteten Lerchenfelder Biosupermarkt, von der Milch über Jogurt bis hin zu Eiern, sowie Non-Food-Produkte wie Kosmetika und Haushaltsprodukte. Und sogar einen ziemlich großen, mit zahllosen kleinen, bunt leuchtenden Glasbehältern reichhaltig bestückten Süßigkeiten-Tisch findet man beim Bummeln durch holis, der es erlaubt, die kleinen Sünden auch in kleinen Portionen und ohne unnütze Verpackung zu genießen.
In manchen Fällen bedeutet für die Betreiber:innen des holis market die Wahl der richtigen Partner:innen bis heute eine ziemliche Herausforderung. Es ist ein überaus sensibler Bereich, bei dem Nico und Janna Harather die Latte an sich und ihr Angebot hoch gelegt haben und unermüdlich daran arbeiten, die Qualität ihres Sortiments weiter zu verbessern, um ihrer Vision, einen „kleinen, aber ausschlaggebenden Beitrag zum Umweltschutz zu leisten und dabei etwas Gutes für die eigene Gesundheit zu tun“, gerecht zu werden. So braucht es eben seine Zeit, bis man ein so umfangreiches Sortiment, wie es holis anbietet, aufgebaut hat, das den eigenen, hoch gesteckten ökologischen Idealen entspricht. „Wir haben bestimmte Kriterien und besuchen in manchen Fällen, in denen es möglich ist, unsere Produzent:innen auch persönlich“, erzählt Nico Harather. So wird derzeit noch kontinuierlich am Sortiment weitergearbeitet, doch schon heute ist holis, was Qualitätsstandards betrifft, nahezu unschlagbar.
Der Supermarkt als verlängertes Wohnzimmer
„Wir arbeiten viel und hart dafür, dass die Preise relativ gering sind“, erzählt Nico Harather, „denn wir wollen eben wirklich ein Supermarkt sein, der für möglichst alle offen steht“. Und Janna Harather ergänzt: „Wir wollen kein Spezialitätenladen sein, in den man ab und zu geht, um sich was zu gönnen, sondern wirklich für jeden Tag und jedes Bedürfnis da sein. Daher ist es uns auch von Beginn an wichtig, dass man nicht hereinkommt und dann von den Preisen so geschockt ist, dass man nie mehr herkommt.“
Das Thema Stammkundschaft ist ein wichtiges, und auch hier braucht es Zeit, Geduld und vor allem eine große Offenheit von allen Seiten, das neue innovative Supermarktkonzept zu etablieren. „Aber mittlerweile kommen sehr viele Menschen immer wieder und gerne zu uns“, freut sich Nico Harather. Wenn man selbst einige Zeit im Markt verbringt, ist dieses familiäre Ambiente nicht zu übersehen und zu überhören. Hier wird gustiert und nachgefragt, gekostet und geplaudert, und dass es so etwas wie ein „Wohnzimmer-Feeling“ in einem Supermarkt gibt, das ist schon etwas Besonderes. Viele Kund:innen kommen auch nur für ein paar Lieblingsprodukte herein, die es wirklich nur hier gibt, wissen die beiden Jungunternehmer:innen. „Gute Ware, freundliche Bedienung und Zeit zum Plaudern“, heißt so auch für Nico Harather das Erfolgskonzept, „und eben zu versuchen, immer die wichtigsten Dinge vorrätig zu haben, die man braucht, um ein echter Anlaufpunkt zu werden im täglichen Leben“.
Eine weitere Besonderheit ist, dass holis market mit kleinstem Mitarbeiter:innen-Stab wirklich Großes leistet: „Wir haben eine Köchin und zwei Mitarbeiter:innen im Verkauf, aber tatsächlich stehen Nico oder ich täglich hier, neben meist ein bis zwei Mitarbeiter:innen, die uns dann zur Seite stehen“, berichtet Janna Harather über das kleine, hoch kompetente Team des Supermarkts. Und Nico Harather ergänzt: „Und wir haben eine Reinigungskraft, ohne die es nicht geht.“
Der richtige Ort
Die Ecke Neubaugasse und Lerchenfelder Straße und die Grenze vom siebten zum achten Bezirk bezeichnet Nico Harather als den optimalen Ort, an dem ihr Konzept gut angenommen wird. „Bevor wir hier das Lokal entdeckt haben, habe ich gar nicht viel Zeit auf der Lerchenfelder Straße verbracht“, verrät Janna Harather. Und das, obwohl sie nicht unweit ihres heutigen Arbeitsortes gewohnt hatte, in der Schottenfeldgasse, „und trotzdem hat es mich nie hier nach unten gezogen“. Seit der Eröffnung ihres eigenen Unternehmens ist ihr die Straße „sehr ans Herz gewachsen, denn mittlerweile gibt es hier so viele kleine, feine Geschäfte, in denen durchwegs supernette Menschen stehen, und ich habe das Gefühl, dass wir hier sehr gut hineinpassen.“ Ihr Bruder, der als Geschäftsführer vor allem auch für die Backoffice-Aufgaben verantwortlich zeichnet, pendelt wiederum zwischen Niederösterreich und Wien und genießt es, auf dem Land zu leben und in der urbanen Umgebung von holis market arbeiten zu dürfen. Für ihn ist es vor allem die Mischung aus „alten, etablierten Unternehmen, wie dem Schlüsselkönig zum Beispiel, und jungen, innovativen Betrieben“, die den Reiz des Ortes ausmacht, dem man sich nicht entziehen kann. Und auch die zahlreichen hervorragenden Lokale stehen in den Augen von Nico Harather für den starken positiven Wandel der Straße, auch wenn er gesteht, dass er „noch gar nicht alle durchprobiert“ hat. „Aber das ist auf jeden Fall notwendig.“ Und sollte es der Aufbau des Unternehmens einmal noch besser zulassen, hoffen die beiden Gründer:innen, ist auch mehr Kommunikation mit anderen Unternehmer:innen vor Ort möglich. Nicht zuletzt, um innovative Kooperationen einzugehen, wie jene mit der Füllbar oder auch jener mit dem Eissalon Schelato direkt gegenüber, mit dessen hauseigenen Vanilleeis holis market bereits im letzten Jahr die sommerlichen Eiskaffees angeboten hat. „Wenn man so etwas wie das gute Eis von gegenüber direkt vor der Nase hat, warum soll man das dann nicht auch gleich nutzen“, ist sich Janna Harather sicher, dass Kooperationen wie diese noch an vielen Ecken entlang der Straße und zwischen zahlreichen Unternehmer:innen des Grätzels möglich wären. Auch die zahlreichen Pflanzen im Supermarkt werden vom gegenüberliegenden Blumenladen „Minh“ optimal betreut. „Und wenn wir etwas für den Haushalt oder die Küche brauchen, zum Beispiel einen Kartoffelschäler, dann gehen wir die wenigen Meter hinauf zum Schlüsselkönig“, ergänzt Nico Harather die Ausführungen seiner Schwester.
Was sich die beiden wünschen, sind vor allem stadträumliche Veränderungen. „Es braucht mehr Grün hier“, betont Nico Harather und verweist darauf, dass er keine einzige Grünfläche entlang der Straße kennt, „die man auch betreten kann. Mit unserem Hund hier Gassi zu gehen, ist schwierig. Wenn wir uns daher was wünschen dürften, ist es mehr Grünfläche.“ Aber auch das Parken vor ihrem Supermarkt ist nahezu unmöglich, wenn auch wesentlich mehr Fahrradständer als noch vor einigen Jahren entlang der Straße und sogar direkt vor dem Geschäft zu finden sind.
Mit Nico und Janna Harather und ihrem holis market ist also nicht nur ein wunderbare Ort ins Lerchenfeld gekommen, wenn es um so wichtige Themen wie Nachhaltigkeit, biologisch hochwertige Lebensmittel und den kleinen Fußabdruck im täglichen Leben geht, sondern auch, wenn es um aktive und kooperative, für Neues aufgeschlossene und an Visionen reiche Unternehmer:innen geht, die das Lerchenfeld auch in den kommenden Jahren bereichern und verändern werden.
holis market Bioladen
Ecke Lerchenfelder Straße/Neubaugasse 88,
1070 Wien
+43/(0)664/415 27 85
hallo@holis-market.at
www.facebook.com/HolisMarket
holis.at
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